Interview zum Riesenschnauzer mit Alice Hoffmann
Liebe Alice
Auf dieses Interview habe ich mich jetzt speziell gefreut, da ich dich gar nicht kenne. Das macht die Fragerei für mich umso spannender! Deshalb nimmt es mich zuerst wunder, wer du bist, was du so machst und vor allem, wie du auf den Riesenschnauzer gekommen bist?
Mein Mann Erich und ich sind inzwischen beide pensioniert, wohnen in einem Einfamilienhaus im schönen Oberlunkhofen und hatten immer Deutsche Schäferhunde. Erich arbeitete in jungen Jahren im Zeughaus und besass einen Diensthund.
Nach dem Tod von Pacos war ich fast 60 Jahre alt, Erich etwas jünger. Letzte Gelegenheit also, uns nochmals einen grossen Hund zuzulegen. Mir gefiel der Riesnchnauzer schon immer. Deshalb nahmen wir 2018 Kontakt auf mit Cornelia Brücker und konnten den G-Wurf bestaunen. Die Welpen kamen am 3. Juni zur Welt. und wir konnten George dann am 6. August in Meggen abholen.
Cornelia klärte uns über den Charakter und die Eigenschaften der RS auf, sagte auch, dass diese Rasse nicht mit Schäferhunden vergleichbar sei. Trotzdem trauten wir uns das zu. Sie empfahl uns den Erstgeborenen, unseren George. Wir waren auf der Stelle verliebt in ihn und fuhren auch oft nach Meggen, um die Fortschritte der Welpen mitzuerleben.
Du sprichst dein Alter an, was ich generell sehr spannend finde im Zusammenhang mit unserer Hunderasse. Auf mich wirkst du auf deinen Fotos auch eher zart, was mich zu meiner nächsten Frage führt: Auch wenn es sehr grosse und schwere Schäferhunde gibt, ist die Chance, schlussendlich einen Riesenschnauzer-Rüden mit 70 (oder mehr) cm Stockmass und 45 bis 50 Kilo Körpergewicht zuhause zu haben viel wahrscheinlicher. Gepaart mit viel Dynamik und grosser Energie doch ein sehr herausforderndes Szenario. Bestimmt hattet ihr euch im Vorfeld dazu Gedanken gemacht?
Also ehrlich gesagt hatte ich damals noch sehr viel Kraft. Mit guter Erziehung hat Kraft nicht die erste Priorität. Dachte ich mir jedenfalls etwas naiv. Zudem ist er eher zierlich, er wiegt knappe 40 Kilo. Aber dennoch, wenn er die Katze sieht bevor ich sie sehe, dann habe ich keine Chance. Ansonsten kann ich ihn schon halten.
Er sollte mein Hund werden, da ich ja bereits frühpensioniert war. George suchte sich dann aber sehr schnell meinen Mann als Chef aus. Und seit Erich pensioniert ist, ist es eh kein Problem mehr. Die Rasse stellte sich für uns aber doch als grosse Herausforderung dar. Ich bin nicht nahe am Wasser gebaut, aber es gab also immer mal wieder Tränen. Und sicher hat Dir Cornelia auch erzählt, dass ich ihn zweimal abgeben wollte, wenn auch mit sehr schlechtem Gewissen und blutendem Herzen. Als er dann meine Schwiegermutter biss, was mir beim Veterinäramt einen Eintrag bescherte, stand ich vor einem Scherbenhaufen. Mittlerweile wissen wir, dass meine Schwiegermutter sich aufs Übelste falsch verhalten hatte mit Keksen geben (wohlverstanden hintenherum).
Ein neuer Hundetrainer sagte uns dann nach 2 Trainings, dieser Hund müsse in den Schutzdienst, er sei absolut nichts für uns. Auf Intervention von Cornelia schaltete sich Urs Lauber ein und redete mehr als eine Stunde lang mit mir. Er bot uns an, mit George zu ihm nach Liestal zu fahren, weil er ihn sich mal ansehen wollte. Nach einer Weile Training sagte er ganz trocken: “Es ist halt ein Riesenschnauzer“. Urs hat uns intensiv betreut und extrem geholfen. Dafür sind wir ihm unendlich dankbar. Wir trainierten weiterhin mit Hundetrainern, aber George blieb 4 Jahre lang eine der grössten Herausforderungen, die wir je hatten. Dennoch liebten und lieben wir ihn natürlich über alles.
Gerade im Juni an der Ostsee sprach uns ein Mann in der Stadt an. Er hat selber 2 RS im Polizeidienst. Er fragte uns nach der Zucht und bewunderte die Schönheit von George. Und er wollte ihn auf der Stelle abkaufen. Ja ehrlich. Aber das kommt natürlich überhaupt nicht in Frage. Unser Vierbeiner hat auch sehr viele gute Eigenschaften und ist ein Schmuser.
Wir haben anfangs wohl schon viele Fehler gemacht. Heute wüssten wir vieles besser. Ehrlicherweise darf ich aber auch betonen, dass wir sehr viel mit ihm trainiert haben und keinen Aufwand und keine Kosten gescheut haben, um aus ihm einen guten Hund zu machen.
George ist inzwischen 6 Jahre alt und ruhiger geworden. Zudem ist ja seit Anfang Jahr Erich immer da und führt ihn auch. Die beiden sind schlechthin ein Dreamteam. Sie lieben sich über alles. George ist der sozialste Hund, den es gibt. Wir haben nie Probleme mit anderen Hunden, was mit den Schäferhunden anders war. Das ist soviel wert.
Er ist halt sehr territorial und bewacht uns und unser Haus ganz stark. Wir mussten lernen, dass es auch andere RS gibt, die bei einem Besuch in ein anderes Zimmer gehen müssen. Wenn er ansonsten gut ausgepowert ist, dann schadet es sicher nicht, wenn er mal 3 oder 4 Stunden separiert wird. Bei uns darf ja der Besuch nicht mal zur Toilette, sonst wird er angekläfft. Wir mussten lernen, dass er nicht der Schosshund für alle ist. Aber ich bin auch sehr froh, einen solch guten Wachhund zu haben. Gerade als Erich noch Schicht arbeitete, musste ich nie Angst haben alleine zuhause.
Du sagst, die Rasse stellte euch vor grosse Herausforderungen und bescherte viele Tränen. Magst du zur Veranschaulichung ein konkretes Beispiel geben?
Eine einzelne Episode kann ich nicht nennen. Es war wohl die Gesamtheit der Dinge. George war von Anfang an überdreht und ein extremer Rempler. Wir hatten ja die Vorstellung, dass er auch Familienhund sein sollte. George aber rempelte und kläffte jeden an. Meine Familie, die im nahen Umfeld wohnt, hatte und hat bis heute Angst vor ihm. Wir bekamen Kritik, unseren Hund nicht im Griff zu haben, obwohl wir alles versuchten, etwas Ruhe hineinzubringen. George war dickköpfig und überlegte sich immer zuerst, ob er nun auf uns hören, oder seinen eigenen Kopf durchsetzen will.
Beim Fressen durfte ich nicht einen Meter an ihn heran. Er knurrte mich an und zog die Lefzen hoch. Einmal, als ich ihm ein Leckerli unter der Treppe hervorholte, biss er mir fast die Fingerkuppe weg. Ein Hund, der seinen Menschen beisst? Ich war deprimiert. Bis heute darf ich nicht in seine Nähe, wenn er frisst. Erich toleriert er. Wir zweifelten an unseren Erziehungsmethoden und an unserem Umgang mit dem Hund. Zudem hörten wir in unserem Umfeld immer wieder, was wir sollten und was wir nicht sollten. Dabei kannte ja niemand diese Rasse wirklich. Wir wurden kritisiert und stiessen auf sehr viel Unverständnis.
So wie ich im Text herausgelesen habe, hattet ihr, bevor ihr bei Urs im Training gelandet seid, schon viele Tipps und Tricks und Ratschläge bekommen, die euch nicht geholfen haben. Warum hat es dann im Training mit Urs klick gemacht?
Urs erklärte uns, dass auch sein eigener Hund nur wenige Bezugspersonen hat und dass ein RS nicht everybodys Liebling sein muss. Er bestärkte uns und bestätigte uns auch, dass wir sehr vieles richtig gemacht haben, aber halt nicht alles. Zudem erklärte er uns, dass wir George unbedingt noch intensiver in Kopfarbeit fordern müssen. Wir machten viel mit Apportieren, mit Suchspielen im Wald und waren und sind bis heute stundenlang mit ihm unterwegs. Urs bat uns, dringend Spuren zu legen und ihn damit zu fordern. In Sachen Konsequenz sagte er, dass es eben nur SCHWARZ oder WEISS gebe und keine Graustufen. Gerade Erich war leider nicht immer so konsequent mit ihm. Da gab es noch Verbesserungspotential. Die Tatsache, dass Urs uns auch mental unterstützte und wir darin bestätigt wurden, auf unserer Linie weiterzumachen, taten uns gut.
Wir hatten und haben aber auch sehr viel Spass mit George. Zweimal waren wir mit ihm in einem Trüffelkurs. Er machte das sehr gut und fand im Übungsgelände die Trüffel. In unserer Umgebung funktioniert das bisher nicht, wobei wir auch nicht mehr ganz so intensiv dran sind, wie auch schon. Es ist sehr schwierig, Plätze zu finden, an denen man erfolgreich üben könnte.
George ist und bleibt anspruchsvoll. Er ist unstet. Er kann zum Beispiel 10 Velofahrer ohne Probleme passieren lassen und beim elften hat er das Gefühl, ihn anspringen zu müssen. Ebenso bei Joggern. Wir können ihm nicht 100% vertrauen. Zudem ist er allergisch gegen Rollbrettchen und Elektroroller-und Trotties. Mittlerweile kennen wir jedoch die Schwächen so genau, dass wir uns darauf einstellen können. Das funktioniert gut. Es braucht Aufmerksamkeit, aber das braucht es ja bei jedem Hund.
Seitdem Erich pensioniert ist, sind wir noch mehr unterwegs mit George und nehmen ihn sowieso auch immer mit in die Ferien. In Hundesporthotels ist es absolut kein Problem, er bleibt auch mal im Zimmer, ohne einen Mucks. Dort sind Menschen mit Hund, die keine Angst haben. Da kann jeder an ihn heran und ihn knuddeln, es ist kein Problem. An der Ostsee, im Bayerischen Wald, in Südtirol, überall ist er dabei und macht uns grosse Freude. Gerade in Deutschland bekommen wir praktisch jeden Tag Komplimente, was für ein schöner und edler Hund er sei. Die Menschen mögen die Rasse und zeigen das auch. Und wenn man unterwegs mal auf jemanden trifft, der ebenfalls einen RS hat, gibt es immer ein Riesen Hallo.
Wir lieben ihn, mussten aber lernen, richtig mit ihm umzugehen. Zuhause ist er extrem kontrollierend und zeigt schon stark, dass es sein Revier ist. Aber das wussten wir ja auch, er ist ein Wachhund. Das ist auch gut so. Wenn wir mal an einem RS Anlass waren hörten wir, dass auch andere so ihre grösseren und kleineren Mühen haben mit ihrem RS. Das beruhigte uns dann jeweils wieder und es macht das ganze ja auch spannend 😃.
Fazit ist, dass wir ihn niemals mehr hergeben würden. Er zeigt uns seine Zuneigung, ist auch zum Beispiel beim Tierarzt nie aggressiv, hält schön ruhig, wenn er zur Hundecoiffeuse muss und so weiter. Er bereichert unser Leben, hat viele gute Eigenschaften und seinen eigenen Kopf. Das macht es jeden Tag aufs Neue unglaublich spannend.
Was würdest du aus deiner heutigen Perspektive Menschen raten, welche sich zum ersten Mal einen Riesenschnauzer anschaffen möchten?
Sich ganz klar zu verinnerlichen, wie der gewünschte Alltag mit dem Hund aussehen sollte. Cornelia hat uns aufgeklärt, dass es vorteilhaft wäre, aktiv im Club mitzumachen. Da aber Brugg oder Oberglatt von uns aus einfach schlecht liegen und es mit der Schichtarbeit von Erich schwierig war, kam das für uns nicht in Frage. Mit einem RS muss man aber wirklich sehr intensiv arbeiten. Und mit der Unterstützung im Club wäre wohl vieles einfacher gewesen.
Nichtsdestotrotz sind wir glücklich mit George. Und auch ein bisschen stolz, es geschafft zu haben. Dank der Unterstützung von Cornelia und Urs.
Dann käme ich jetzt zu meiner letzten Frage, denn die Interview-Serie befasst sich ja damit, warum wir den RS den anderen Hunden vorziehen? Würdest du sagen, dass du das trotz allem auch tust, und wenn ja, warum?
Ich finde die Rasse wunderschön. Und ich bin nach wie vor verliebt in diese tollen Hunde. Ich denke aber, Voraussetzung ist wirklich schon, dass man sehr viel arbeitet mit ihnen. Einfach so zum Plausch und als Familienhund ist er sicher nicht geeignet. So ganz als Schlusswort würde ich sagen, ein Hund soll auf jeden Fall Hobby sein. Aber der Riesenschnauzer muss eine Berufung sein.
Vielen Dank Alice für deine Offenheit und deine Zeit!
Juli 2024
Sarah von Wartburg
Sekretärin SRSC